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06.04.2020

Deutschland hat ein Problem mit der Digitalisierung

Immer deutlicher zeigt sich, wie die Bekämpfung des Corona-Virus das Land lahmlegt. Auffällig ist meiner Ansicht nach, dass ausschließlich auf klassische Verfahren der Seuchenbekämpfung gesetzt wird. Alle diese Verfahren sind richtig und notwendig, es verwundert dennoch, dass auf digitale Technologien und elektronische Verfahren von offizieller Seite so gar kein Wert gelegt wird. Warum können Infektionsherde nicht geografisch detaillierter als auf Kreisebene angezeigt werden? Warum ist das Robert-Koch-Institut nicht an vorderster Front dabei, wenn dezentrale und freiwillige Apps erprobt werden? Warum wird am Wochenende nur unvollständig gezählt? Warum werden Statistiken und Entwicklungen auf privater Basis (z.B. der Berliner Morgenpost) als offizielle Basis herangezogen?

Diese unvollständigen Beispiele zeigen, dass Deutschland ein Problem mit der Digitalisierung hat. Zu allererst übrigens das staatliche Deutschland. Wenn in einem Bundesland nur ein Zehntel der Ministerialbeamten Home-Office machen können, weil es nicht mehr Notebooks gibt, dann hat dieses Bundesland 20 Jahre lang geschlafen. Wenn in einem anderen Bundesland die Standesbeamtin fieberhaft überlegt, wie man jetzt die persönlichen Unterschriften des Brautpaares auf die Dokumente bekommt und daran die Hochzeit zu scheitern droht, hat dieses Bundesland in den letzten 20 Jahren offenbar nicht nachgedacht. Wenn man der Behörde, die die Einwohnerdaten führt, nochmals nachweisen muss, wo man gerade wohnt, dann hat auch diese Behörde in den letzten 20 Jahren tief und fest geschlafen.

Leider ging es in der öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten auch ohne IT, ohne Digitalisierung und ohne integrierte Systeme. Unternehmen und Privatpersonen wurden einfach gezwungen, die teilweise grotesk sinnlos anmutenden Regeln einzuhalten - wir können zwar Geld binnen Sekunden überweisen, aber wenn das Finanzamt nicht gezahlte Beträge anmahnt, wartet es einen Monat und schickt dann einen Brief mit der Post.

Der öffentliche Sektor Deutschlands lebt leider immer noch in der digitalen Steinzeit und das fällt uns allen jetzt, in dieser Krise, schwer auf die Füße. Was können wir tun? Wir können in den Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen und es unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern so einfach wie möglich machen, vom Home Office aus zu arbeiten. Alle Prozesse sind mehr oder weniger digitalisierbar. Die Hochschulen müssen bei der Ausbildung derjenigen Studierenden, die höchst wahrscheinlich in den öffentlichen Sektor gehen, wesentlich mehr Inhalte zur Digitalisierung anbieten - und zwar als Pflichtmodule.

Dann hätte die Krise, die uns jetzt alle zur vollständigen Digitalisierung unserer Abläufe zwingt, auch für unser Gemeinwesen etwas Gutes.