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05.11.2018

ERP-Markt unverändert kleinteilig

Wenn man nach Umsatzgrößen geht, dann kommt im deutschen ERP-Markt erst einmal SAP und dann lange nichts. Nimmt man allerdings die publizierten Neukunden-Abschlüsse und Success Stories als Maßstab, dann ist der Markt für ERP-Systeme unverändert vielgestaltig. Mehr als 400 aktive Anbieter – Software-Hersteller, Systemhäuser oder Dienstleister wie beispielsweise Beratungsunternehmen – hat das Center for Enterprise Research seit Beginn der Analyse vor elf Jahren gezählt. Dabei wurden 320 unterschiedliche ERP-Lösungen implementiert. So vielseitig, aber auch so kleinteilig ist kaum ein nationaler Markt in der westlichen Welt. 

Der Grund liegt darin, dass Prozessoptimierung in Deutschland immer noch eine Königsdisziplin ist. Nirgendwo ist deshalb die Bandbreite an branchenorientierten Systemen so groß wie hierzulande. Ein zweiter Punkt dürfte in der großen Zahl mittelständischer Unternehmen liegen. Auch der Mittelstand mit rund drei Millionen Unternehmen ist ein deutscher Sonderweg, der so in anderen Industrieländern, wo die Schere zwischen Kleinunternehmen und global tätigen Konzernen immer weiter aufgeht, nicht zu beobachten ist. Das bestätigen im Übrigen auch die Projektgrößen bei der ERP-Einführung. Mehr als ein Drittel der beschriebenen rund 1600 Einzelprojekte liegt bei einer Installationszahl von 50 bis 100 Usern – das entspricht der Mitarbeiterzahl eines klassischen deutschen Mittelstandsunternehmen.

Nicht überraschend ist der Anteil der SAP-Projekte mit rund einem Fünftel der mit Abstand größte Anteil – auch weil hier im SAP-Ökosystem mehrere Systemhäuser und Dienstleister involviert sind. Es folgen Abas (8,2 Prozent der Nennungen), Microsoft (5,6) und Infor (3,4), ehe ein knappes Dutzend mit Anteilen zwischen zwei und drei Prozent der Projekt-Erwähnungen auftritt. Beinahe die Hälfte aller Nennungen (48,21 Prozent) aber beziehen sich auf zusammengenommen 143 verschiedene ERP-Systeme. Aus ERP-Sicht ist Deutschland wahrlich eine „bunte Republik“.

Als Motivation für die Neueinführung eines ERP-Systems sehen gut 30 Prozent der Anwender die geringe Leistungsfähigkeit des Altsystems. Etwa die Hälfte der Nennungen wurde hingegen mit „schlechter Durchgängigkeit“, „heterogenen IT-Landschaften“, „Insellösungen“ oder „Schnittstellen zwischen Geschäftsprozessen“ begründet. Etwa ein Viertel nannte „Firmenwachstum“ oder „neue Geschäftsanforderungen“.

Folgerichtig ist auch die „Optimierung der Geschäftsprozesse“ mit gut einem Drittel der Nennungen das favorisierte Projektziel. Noch einmal 18 Prozent nannten eine einheitliche, integrierte IT-Landschaft“ als oberstes Projektziel. Für knapp ein Viertel der Entscheider waren „aktuelle Daten“ das Hauptmotiv. Häufig genannt wurden „Transparenz“ und „Flexibilität“, während „Kostenersparnis“ lediglich bei einem Achtel der Projektziele genannt wurde. (Hier sind naturgemäß Mehrfachnennungen möglich.)

Das spiegelt sich auch in den angegebenen Gründen für die jeweilige Systemauswahl wider: Zwar ist Funktionalität das oberste Gebot, aber „Flexibilität“ und „Anpassbarkeit“ waren für rund ein Viertel der Projektleiter entscheidende Kriterien. „Durchgängigkeit“, „Übersichtlichkeit“ und „Transparenz“ waren ebenfalls Top-Kriterien. Dass Internationalität der Lösung eine vergleichsweise geringe Rolle spielt, unterstreicht noch einmal den mittelständischen Charakter der Projekte.

Die Auswirkungen der Finanzkrise ab 2008 haben übrigens ihren deutlichen Niederschlag im ERP-Geschehen gefunden. Der Mut zum Neuprojekt sank nach einem Peak im Jahr 2008 auf weniger als 100 Projekte in den Jahren 2011 bis 2013, was einem Rückgang auf ein Drittel entspricht. Erst allmählich erholt sich der ERP-Markt wieder. Daran hat auch der digitale Wandel – wenngleich deutlich verzögert – seinen Anteil. Anbieter wären gut beraten, jetzt das eigene Wissen und die Kompetenz in Sachen digitaler Transformation herauszustellen. Wie sich beim Finale zum Wettbewerb „ERP-System des Jahres“ zeigte, sind hier bereits vielversprechende Ansätze auch unter kleinen und mittleren Anbietern zu beobachten. Das lässt darauf hoffen, dass der digitale Wandel nicht zu einer Verödung des ERP-Markts in Deutschland führt. Das Angebot an ERP-Kompetenz bleibt vielschichtig.