10.09.2018
Trusted Advisor: Change als Chance
Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen sorgen oftmals dafür, dass die Geschäftsprozesse und die sie tragenden Systeme von Grund auf überarbeitet werden müssen. Die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH hat eine solche veränderte Gesetzeslage als Chance wahrgenommen und sich intensiv mit der Neuordnung ihrer Geschäftsprozesse beschäftigt und damit zugleich auf den Weg in die Digitalisierung gemacht. Als Trusted Advisor habe ich dieses Projekt über mehrere Jahre begleitet. Zu Beginn des Projekts „beat17“, mit dem eine völlig neue IT-Landschaft aufgesetzt und zugleich möglichst viele Prozesse automatisiert werden sollten, herrschte unter allen Beteiligten ein gehöriger Respekt vor der zu bewältigenden Aufgabe. Denn die Große eines Projekts nimmt ja auf die Größe der Organisation und des Support-Teams keine Rücksicht. Aber das Team bei GVL hat Change als Chance interpretiert und so eine Riesenaufgabe bewältigt.
Abgesehen vom Gebäude, in dem die GVL residiert, blieb buchstäblich kein Stein auf dem anderen: die Organisationsstruktur, die Abläufe, die Verantwortlichkeiten, die Kooperationspartner, die Portale, die Datenstrukturen. Kurzum: Alles! Aber anders wären die Anforderungen des neuen, europaweit gültigen Verwertungsgesellschaftengesetzes (VGG) nicht zu bewältigen gewesen. Die darin definierten Anforderungen machten es notwendig, alle Abläufe, alle Systeme, alle Verfahren, alle Kanäle zu den Berechtigten und das Reporting auf eine neue Grundlage zu stellen. So war die Investition in neue Be- und Abrechnungssysteme zwingend erforderlich, wobei zugleich die vorgelagerten Prozesse wie zum Beispiel die Erfassung der Nutzungsdaten möglichst weitgehend automatisiert werden sollten.
Gleichzeitig sind aber die Aufgaben der GVL so einzigartig, dass sich keine Standardsoftware anbot, mit der die benötigten Funktionen und Prozesse hätten abgedeckt werden können. Der Vorteil, dass durch die Individualprogrammierung alles exakt nach den Anforderungen der GVL entwickelt werden konnte, musste freilich durch den Nachteil einer verlängerten Projektphase erkauft werden. Doch das Ergebnis spricht für sich: Im Vergleich zu rund 8000 mit „beat17“ vergleichbaren Projekten, die in internationalen Statistiken erfasst sind, schneidet die GVL hervorragend ab: Denn während sich bei rund der Hälfte dieser Change-Projekte die Kosten und die Laufzeit gegenüber den ursprünglichen Schätzungen verdoppelt haben, gab es bei „beat17“ nur eine leichte Kostenüberschreitung.
Doch der Erfolg eines solchen Projekts misst sich nicht allein an der Anzahl der erfolgreich umgestellten Systeme. Es gibt mindestens zwei weitere Faktoren, die über den Erfolg oder Misserfolg eines Change-Projektes entscheiden: Das eine sind die Abläufe, die vor den Systemen anfangen und nach den Systemen aufhören und die zu den Systemen passen müssen. Noch wichtiger als Systeme und Abläufe sind aber die Menschen, die diese Systeme konzipieren, entwickeln und betreiben. Die GVL hat es geschafft, eine tolle Truppe aufzubauen von vielen, vielen fachkundigen Menschen, die genau diese Aufgaben jetzt wahrnehmen.
Dabei war es auch folgerichtig, dass die GVL auf interne Kompetenzen setzte. Die Situation am IT-Arbeitsmarkt ist mehr als angespannt. Während einerseits neue Herausforderungen durch den digitalen Wandel, das Internet der Dinge oder Industrie 4.0 entstehen, ist andererseits die Zahl der Hochschulabsolventen in den MINT-Fächern nicht gestiegen. Und zusätzlich ziehen attraktive IT-Abteilungen von Unternehmen wie BMW oder Zalando in großer Zahl IT-Fachkräfte an sich. Da war es sinnvoll, das Change-Projekt auch als Chance für den Auf- und Ausbau eigener Fachkräfte zu nutzen. Das ist hervorragend gelungen.
Das beweist auch die Tatsache, dass nach dem erheblichen Kraftakt der letzten Jahre und Monate die neue Systemlandschaft steht und operativ ist. So wurden die Ausschüttungen der vergangenen Monate erstmalig auf der Basis der neuen Systeme getätigt. Darauf gilt es jetzt aufzubauen. Ideal wäre es, wenn wir zukünftig quasi aus dem Handgelenk Verteilungsläufe in einem reibungslosen Prozess durchführen könnten. Während wir jetzt noch vier Wochen für die Durchführung einer Verteilung brauchen, wird sie hoffentlich Ende des Jahres in weniger als einer Woche absolviert werden können.
Ein großes Thema für die GVL ist jetzt das sogenannte „Fingerprinting“. Das bedeutet, dass bei Musikstücken bereits wichtige Informationen hinterlegt sind und der Track durch Computer genau erkannt wird. Sobald das in die GVL-Systeme eingebaut ist, werden einige Prozesse z.B. das Matching deutlich verbessert. Außerdem sehe ich bei der GVL mit Blick auf Künstliche Intelligenz und Machine Learning noch große Potenziale. Ich bin sehr optimistisch, dass das klappen wird.