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09.06.2023

Wie Tchibo aus der Misere kommen könnte

Kennen Sie auch noch die Zeit, wo Freunde anriefen, um auf gefragte Angebote bei Tchibo aufmerksam zu machen? Das ist lange vorbei und diese Woche war in der Zeitung zu lesen, dass es Tchibo schlecht ging. Die Bestände seien zu hoch und notwendige Preiserhöhungen könnten nicht an die Kunden weitergegeben werden. Dies beschreibt meines Erachtens nur Symptome, nicht aber Ursachen. Hat Tchibo wirklich die Supply Chain im Griff? Sind entsprechende Frühwarnmechanismen in der Software implementiert? Schafft es die Logistik, unterschiedliche Filialen unterschiedlich zu beliefern, weil nicht überall Babyartikel gleich stark gefragt sind? Ist das Category Management in der Lage, auf Nachfrageveränderungen angemessen zu reagieren? Wird der Tchibo-Einkauf etwa immer noch für niedrige Einkaufspreise incentiviert anstatt zuvorderst auf die Verkaufbarkeit der Ware zu achten? 

Immer noch macht Tchibo die Hälfte des Umsatzes mit Kaffee. Ich habe den Eindruck, aus diesem Asset, der umfassenden Expertise über Kaffee macht das Unternehmen nichts. Gehen Sie gerne in einen Tchibo Store, um Kaffee zu trinken? Ich nicht. Die Atmosphäre entspricht der einer Raststätte und hat nichts mit den gemütlichen Kaffeeoasen zu tun, wie sie Starbucks und andere anbieten. 

Jetzt will Tchibo Kosten sparen und Mitarbeiter entlassen. Mitarbeiter, die eingearbeitet sind und die überall dringend benötigt werden. Andere Unternehmen suchen händeringend nach Personal! Die bekanntgewordenen Maßnahmen werden an den grundsätzlichen Problemen des Geschäftsmodells nichts ändern. Tchibo kann viel mehr aus seiner Kaffeekompetenz herausholen. Auch die enorme Breite der Vertretung im Markt mit über 20.000 Verkaufsstellen ist ein Asset, dass noch gar nicht richtig genutzt wird. Nicht alle Verbraucher benötigen Babywäsche gerade dann, wenn Tchibo sie anbietet, stilvolle Basics für alle Lebenslagen gehen allerdings immer.

Eine Überarbeitung des Geschäftsmodells halte ich für zwingend erforderlich. Zukünftig muss viel stärker datengetrieben entschieden werden. Dazu müssen Geschäftsprozesse und Informationssysteme aktualisiert werden. Dann wird Tchibo vielleicht in Zukunft wieder ein Trendsetter.